Mehr als die Hälfte aller Menschen sind im Laufe ihres Lebens mindestens einmal mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert. In vielen Fällen sind schwere psychische Erkrankungen die Folge.
Von traumatischem Stress spricht man, wenn mehrere Bedingungen zusammentreffen: Die Betroffenen müssen als Opfer oder Zeuge eine bedrohliche Situation erleben, der sie nicht entrinnen können und die bei den meisten Menschen eine existenzielle Erschütterung hervorrufen würde. Dabei kann es sich zum Beispiel um einen schweren Unfall, eine Gewalttat oder auch um eine psychische Grausamkeit handeln. Die Reaktion des Opfers oder Zeugens ist von Angst, Panik und/oder Entsetzen geprägt. Es geht also um ein Ereignis und die unmittelbare Reaktion darauf. Wenn es sich um ein singuläres, umgrenztes Ereignis handelt, spricht man von Typ I Trauma, bei chronischen oder sich wiederholenden Ereignissen vom Typ II.
Die Folgen solcher traumatischen Stresssituationen sind sehr unterschiedlich und hängen von früheren ähnlichen Erfahrungen und von der Art des Ereignisses ab: Traumafolgestörungen sind seltener nach Ereignissen, die nicht durch Menschen verursacht wurden, oder Verkehrsunfällen (bis zu 20 %). Besonders häufig treten sie nach Vergewaltigungen und Folter auf (bis zu 90 %).
Die typische Traumafolgestörung ist die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), die Tage bis Wochen, gelegentlich aber auch erst Monate oder Jahre nach dem Ereignis auftreten kann. Ein-dringliche, sich aufdrängende Erinnerungen, Nachhallerinnerungen (Flashbacks), Alpträume, An-spannung, Schreckhaftigkeit, Vermeidungsverhalten gegenüber allen potenziell Angst auslösenden Hinweisreizen bis zum völligen sozialen Rückzug, emotionales Betäubtsein (Numbing), manchmal auch emotionale Labilität, Gereiztheit, Wutausbrüche und sogenannte dissoziative Zustände be-stimmen das Krankheitsbild gemeinsam mit wiederkehrenden Scham- oder Schuldgefühlen („ich bin schuld, dass es passiert ist“). Neben der PTBS als klassischer Traumafolgestörung treten aber häufig auch Depressionen, Angst-oder Suchterkrankungen nach dem Erleben traumatischen Stresses auf.
Kinder und Jugendliche sind anderen traumatischen Stresssituationen ausgesetzt und reagieren seltener mit dem klassischen Krankheitsbild der PTBS. Bei ihnen stehen weniger einzelne Situationen, sondern chronische oder rezidivierende Erfahrungen von Misshandlung und Missbrauch (Typ II) im Vordergrund – von körperlichen über sexuellen bis zu den besonders häufigen emotionalen Misshandlungs- und Vernachlässigungserfahrungen.
Heute wissen wir, dass diese schweren negativen Erfahrungen, besonders in spezifisch vulnerablen Phasen (2.–4. Lebensjahr, 8.–10. Lebensjahr und Pubertät) gravierende Langzeitauswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen hat. Mittlerweile ist gut belegt, dass dies nicht nur für die psychische Gesundheit gilt – mit einer drastisch erhöhten Wahrscheinlichkeit, als Erwachsener an verschiedenen psychischen Störungen zu erkranken (das Risiko ist um den Faktor 2 bis 8 erhöht) –, sondern auch für die körperliche Gesundheit und fast alle typischen und chronisch verlaufenden Erkrankungen betrifft (von Diabetes mellitus bis Koronare Herzerkrankung und Schlaganfall).
Heute verfügen wir glücklicherweise über wirksame Behandlungsmöglichkeiten von Traumafolgestörungen, hier spezifisch der PTBS. Dabei ist Psychotherapie Mittel der Wahl, insbesondere wenn eine gute Aufklärung über das Krankheitsbild, das Erlernen von Entspannungstechniken, Selbstmanagementfertigkeiten zur emotionalen Regulation mit der sogenannten Traumakonfrontation bzw. -exposition verbunden werden. Dabei werden die Betroffenen mittels verschiedener Techniken wiederholt angeleitet, sich in der Vorstellung die traumatische Situation Schritt für Schritt – sozusagen in Zeitlupe – zu vergegenwärtigen und nachzuerleben. Ziel dieser Art von Behandlung ist es, das mit der Erinnerung verbundene Anspannungsniveau und die hohe Emotionalität zu reduzieren und zu lernen, das im psychischen Erleben isolierte bzw. abgespaltene Ereignis in einen autobiografischen Kontext (dort und damals, was war davor, was war danach) zu reintegrieren. Andere Behandlungsansätze fokussieren mehr auf ungünstige Kognitionen, insbesondere die häufig zu beobachtenden Schuldgefühle, die es zu überwinden gilt. Auch antidepressiv wirkende Medikamente können nachgewiesenermaßen bei der Genesung helfen. Im Kindes- und Jugendalter werden für den jeweiligen Entwicklungsstand angepasste psychotherapeutische Behandlungsformen genutzt. Besonders, aber nicht nur für das Kindesalter, sind präventive Maßnahmen von außerordentlicher Bedeutung, also Unterstützung von belasteten Familien bis hin zu konflikt- und gewaltpräventiven Maßnahmen.
Text in Zusammenarbeit mit: Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. (DGPPN) www.dgppn.de