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Zwangsstörungen

 

Wohl jeder hat schon einmal kontrolliert, ob er die Tür abgeschlossen oder den Herd ausgeschaltet hat. Solche Handlungen sind durchaus nützlich, um Gefahren, wie einen Einbruch oder ein Feuer, abzuwenden. Unerwünschte Gedanken gehen auch gesunden Menschen hin und wieder durch den Kopf. Sie schaffen es jedoch, diesen keine große Bedeutung beizumessen und sie weitgehend zu ignorieren.

Anders im Falle einer Zwangsstörung. Diese umfasst wiederkehrende und oft als sinnlos oder übertrieben empfundene Zwangshandlungen und/oder unerwünschte und beängstigende Zwangsgedanken. Betroffene müssen ein und denselben Ablauf immer wieder ausführen, da sie sich sonst unwohl fühlen oder können von bestimmten Gedanken nicht loslassen. Obwohl die Handlungen und Gedanken meist quälend sind, können Betroffene diese nicht ablegen. Wiederholen sie sich andauernd und schränken dadurch den normalen Tagesablauf immer mehr ein, spricht man von einer Zwangsstörung.

Zwangserkrankungen kommen relativ häufig vor: Schätzungen zufolge entwickeln 2 bis 4 von 100 Menschen im Laufe ihres Lebens eine solche Störung. Eine Zwangsstörung kann in jedem Alter auftreten, meist beginnt sie im frühen Erwachsenenalter. Frauen und Männer sind etwa gleich häufig betroffen.

Zwänge können sich auf unterschiedliche Handlungen beziehen. Häufige Zwangshandlungen sind Wasch- und Reinigungszwänge, Kontroll-, Ordnungs- oder Zählzwänge sowie Sammel- und Wiederholungszwänge. Zwangsgedanken betreffen oft Sorgen und Angst vor Krankheitserregern oder davor, anderen Menschen durch Unachtsamkeit Schaden zuzufügen. Sie können auch religiöse, aggressive oder sexuelle Inhalte haben.

Zur Entstehung einer Zwangserkrankung können nach heutigem Kenntnisstand mehrere Faktoren beitragen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass genetische Faktoren sowie ungünstige Lernerfahrungen und bestimmte Persönlichkeitsmerkmale eine Rolle spielen. Auch starke Stressbelastungen, eine schwere Krise oder eine Traumatisierung in der Kindheit können zur Entwicklung einer Zwangserkrankung beitragen. Es gibt auch Hinweise auf Veränderungen im Hirnstoffwechsel und der Hirnaktivität, jedoch ist nicht klar, ob dies Ursache oder Begleiterscheinung der Erkrankung ist.

Eine Zwangsstörung ist mit hohem Leidensdruck verbunden. Dennoch sind die Betroffenen ihren Zwängen nicht hilflos ausgeliefert. In den meisten Fällen ist es möglich, die Symptome deutlich zu lindern.

 

Diagnostik und Symptome

  • Wichtigstes Merkmal aller Zwangserkrankungen sind wiederkehrende Zwangsgedanken und/oder -handlungen.

    Eine Zwangsstörung kann sich aufgrund der verschiedenen Formen auf unterschiedliche Art und Weise äußern. Wichtigstes Merkmal aller Zwangserkrankungen sind wiederkehrende Zwangsgedanken und/oder -handlungen. Die zwanghaften Gedanken oder Vorstellungen rufen Angst, Ekel oder Unbehagen hervor, wiederholen sich ständig und lassen sich kaum abschütteln, wobei auf Impulse nicht zwangsläufig eine entsprechende Handlung folgen muss. Anders bei Zwangshandlungen: Der Erkrankte führt diese immer wieder und auf gleiche Weise durch, um bedrohliche Gedanken loszuwerden und sich sicher zu fühlen. Oft sind Zwangsgedanken und Zwangshandlungen auch miteinander vermischt – etwa, wenn jemand in Gedanken immer wieder die gleichen Zahlenreihen durchgeht.

     

    Der hohe Zeitaufwand von Zwangshandlungen und -gedanken führt dazu, dass Betroffene ihren Alltag immer schlechter bewältigen können. Aus Scham und weil sie sich über die Unsinnigkeit ihrer Zwänge bewusst sind, verheimlichen viele Zwangserkrankte ihre Störung und suchen keine Hilfe. Sie ziehen sich zunehmend aus ihrem sozialen Umfeld zurück. Die kann auch depressive Symptome zur Folge haben.

     

    Bei Verdacht auf eine Zwangsstörung wird der Arzt ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten führen. Durch einfache Fragen, wie z. B. „Waschen oder reinigen Sie sich sehr häufig?“ oder „Überprüfen und kontrollieren Sie viel?“, erhält er Hinweise auf eine mögliche Zwangserkrankung.

     

    Voraussetzung für die Diagnose ist, dass die Symptome mindestens zwei Wochen lang mehrere Stunden am Tag bestehen und von den Patienten als störend bzw. belastend empfunden werden.

     

    Wichtig ist, Zwänge als Begleiterscheinung von anderen Erkrankungen, wie etwa einer Psychose oder schweren Depression, abzugrenzen. Zudem ist eine gründliche neurologische und internistische Untersuchung erforderlich, um weitere Erkrankungen mit Zwangssymptomen, etwa Tic-Störungen, abzuklären. In manchen Fällen ist eine Untersuchung der Hirnströme (EEG) oder eine Kernspintomografie des Schädels sinnvoll, um hirnorganische Ursachen auszuschließen.

Behandlung

  • Bei einigen Patienten verschwinden die Symptome vorübergehend oder vollständig.

    Bei den meisten Betroffenen verläuft die Zwangsstörung jedoch chronisch. Wegen der unterschiedlichen Formen und Ausprägungen ist eine auf den Patienten individuell abgestimmte Behandlung wichtig. Glücklicherweise gibt es inzwischen gute Therapiemöglichkeiten. Dadurch können Zwangserkrankungen in vielen Fällen zwar nicht vollständig geheilt, aber ihre Symptome deutlich gelindert und die Lebensqualität stark verbessert werden. Den größten Erfolg verspricht eine Kombination aus Psychotherapie und medikamentöser Behandlung. Um die weitreichenden Folgen eines chronischen Verlaufs zu verhindern, ist eine frühzeitige Behandlung sehr wichtig.

     

    Psychotherapeutische Behandlung: Bei Zwangsstörungen gilt die kognitive Verhaltenstherapie als Methode der Wahl. In sogenannten „Expositionen“ wird der Patient mit den Zwang auslösenden Reizen und Situationen konfrontiert und erlernt alternative Möglichkeiten, mit den dabei auftretenden belastenden Gefühlen umzugehen. Zusätzlich werden im Rahmen der Therapie schädliche Gedanken und Überzeugungen hinterfragt. Ziel der Therapie ist es, dass Betroffene wieder Kontrolle über das eigene Verhalten erlangen.

     

    Medikamentöse Therapie: Ergänzend zur psychotherapeutischen Behandlung können Antidepressiva helfen, speziell sogenannte Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) wie Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin oder Sertralin. Diese Medikamente erhöhen die Konzentration vom körpereigenen Botenstoff Serotonin im Nervenspalt Dieser überträgt Informationen zwischen Nervenzellen und beeinflusst unter anderem auch emotionale Prozesse. Dadurch kommt der gestörte Hormonhaushalt im Gehirn wieder ins Gleichgewicht und die innere Anspannung lässt nach. Spricht der Erkrankte nicht ausreichend auf SSRI an, kann der Arzt zusätzlich ein niedrig dosiertes atypisches Antipsychotikum verordnen.