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Verhaltensabhängigkeiten

 

Dass Alkohol, Tabak, Drogen und bestimmte Medikamente Suchtpotenzial besitzen, ist bekannt. In den letzten Jahren machen jedoch auch immer mehr Verhaltensabhängigkeiten von sich reden. Zu diesen nicht-stoffgebundenen Süchten zählen bestimmte Verhaltensweisen, wie zum Beispiel die exzessive Nutzung von Computer und Internet oder Glücksspielen.

 

Verhaltensabhängigkeit oder -sucht ist ein relativ neuer Begriff für exzessive Verhaltensweisen, die Merkmale einer seelischen Abhängigkeit aufweisen. Hierbei sind Betroffene auf bestimmte Verhaltensweisen mit einem „belohnenden Effekt“ fixiert und verspüren den starken Drang, dem jeweiligen Reiz zu folgen. Mit der Zeit nimmt die Verhaltenssucht immer mehr Raum im Alltag der Betroffenen ein und beeinflusst das soziale und berufliche Leben.

 

Bei den Verhaltensabhängigkeiten unterscheidet man zwischen verschiedenen Untertypen. Hierzu zählen zwanghaftes Surfen im Netz oder Chatten, die Abhängigkeit von Computerspielen, Internet-Pornographie und Online-Beziehungen sowie geldbezogenen Angeboten wie dem Glückspiel, Auktions- und Shoppingseiten.

 

Verhaltensabhängigkeiten sind dabei alles andere als selten. Von einer Internetabhängigkeit sind nach bisherigen Studien zwischen 1 und 5 Prozent der Bevölkerung betroffen. Experten schätzen, dass die Zahl bei den 12- bis 17-Jährigen deutlich höher liegt. Ähnliches gilt für die Computerspiel-Abhängigkeit. Hiervon sind Schätzungen zufolge in Deutschland zwischen 0,5 und 2 Prozent der Bevölkerung betroffen, Männer häufiger als Frauen.

 

Als Ursache für die Entwicklung dieser Störungen vermuten Experten eine Kombination aus biologischen Faktoren und psychosozialen Einflüssen. Als Risikofaktoren gelten Selbstunsicherheit, soziale Ausgrenzung, eine Neigung zu Depressivität und Ängstlichkeit, Stressanfälligkeit sowie verstärkte Impulsivität. Als gefährdet für eine Computerspielsucht gelten vor allem Jugendliche mit wenig realen Erfolgserlebnissen, schulischen Problemen und geringer familiärer Unterstützung.

 

Verhaltensabhängigkeiten können, ähnlich wie der Missbrauch von Substanzen, die Gesundheit schädigen und sozialen Rückzug, Probleme am Arbeitsplatz, Depressionen und andere psychische Erkrankungen zur Folge haben. Umso wichtiger ist es, dass Betroffene rechtzeitig professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. In den meisten Fällen ist hierdurch eine Rückkehr ins normale Leben möglich.

Diagnostik und Symptome

  • Der Übergang von einem normalen zu einem krankhaften Verhalten ist meist schleichend.

    Für Betroffene und ihre Mitmenschen ist eine beginnende Verhaltensabhängigkeit oft schwierig zu erkennen, da der Übergang von einem normalen zu einem krankhaften Verhalten meist schleichend erfolgt. Befasst sich die Person gedanklich sehr viel mit der entsprechenden Verhaltensweise und verspürt sie ein starkes Verlangen danach, kann dies ein erstes Anzeichen sein.

     

    In diesem Fall sollten sich Betroffene oder ihre Angehörigen an eine auf Süchte spezialisierte Klinik oder einen entsprechenden Therapeuten wenden. Die Spezialisten können anhand von Fragebögen und ausführlichen Gesprächen feststellen, ob die Verhaltensweise bereits Suchtcharakter hat oder nicht.

     

    Für die Diagnose ist nicht allein die Stundenanzahl ausschlaggebend, die für die Verhaltensweise aufgebracht wird. Entscheidend sind vor allem folgende Sucht-Kriterien.

     

    Kriterien für eine Internet-Abhängigkeit:

    • ständige gedankliche Beschäftigung mit dem Internet
    • zwangsläufige Ausdehnung der im Internet verbrachten Zeiträume, um noch eine zusätzliche Befriedigung zu erlangen
    • erfolglose Versuche, den Internetgebrauch zu kontrollieren, einzuschränken oder gar zu stoppen
    • Unruhe, Nervosität oder Reizbarkeit bei Versuchen, den Gebrauch zu reduzieren oder zu beenden
    • längere Aufenthalts-Zeiten im Internet als ursprünglich beabsichtigt
    • Risiko, eine engere Beziehung, eine Arbeitsstelle oder die geforderte berufliche Leistung wegen des Internet-Konsums aufs Spiel zu setzen
    • Belügen von Familienmitgliedern, Therapeuten u. ä., um das Ausmaß und die Verstrickung mit dem Internet zu verbergen
    • Internet-Gebrauch als persönlichen Lösungsversuch, Problemen auszuweichen oder Missstimmungen besser ertragen zu können

     

    Liegen mindestens fünf der genannten Symptome vor, spricht dies für eine Internet-Abhängigkeit.

     

    Kriterien für eine Computerspiel-Abhängigkeit:

    • nahezu ausschließliche Beschäftigung mit Computerspielen
    • Kontrollverlust
    • Toleranz-Entwicklung
    • Entzugssymptome
    • genereller Interessensverlust an anderen Aktivitäten, Menschen oder Dingen
    • Spielen, um Missstimmungen zu verringern
    • Täuschung von Familie, Therapeuten oder dem weiteren Umfeld, um das Ausmaß der Spielesucht zu verbergen
    • Verlust oder Gefährdung von Beziehungen, Arbeit, Ausbildung oder Karriere

     

    Diagnosekriterien für pathologisches Glücksspielen nach ICD-10:

    • wiederholte (2 oder mehr) Glücksspiel-Episoden über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr
    • Glücksspiel wird trotz subjektiven Leidensdrucks und Störungen der sozialen und beruflichen Funktionsfähigkeit fortgesetzt
    • intensiver Drang zu spielen, der nur schwer kontrolliert werden kann
    • ständige Beschäftigung mit Gedanken und Vorstellung vom Glücksspiel oder mit dem Umfeld des Glücksspiels

Behandlung

  • Die Behandlung von Verhaltensabhängigkeiten ist noch ein junges Therapiegebiet.

    Immer mehr Therapeuten bieten inzwischen jedoch Hilfe bei Verhaltensabhängigkeiten an. Auch einige Kliniken haben eigene Ambulanzen für stoffungebundene Süchte eingerichtet. Ob die Therapie ambulant oder stationär erfolgt, hängt von der Schwere der Abhängigkeit ab. Die Behandlung ähnelt der von stoffgebundenen Abhängigkeiten.

    Psychotherapeutische Maßnahmen: Im ersten Schritt werden die Betroffenen und ihre Angehörigen mit dem Ziel, die Eigenverantwortung des Patienten zu stärken, über die Verhaltensabhängigkeit und ihre Folgen aufgeklärt. Eine wichtige Rolle in der Behandlung spielt die Kognitive Verhaltenstherapie. Hierbei werden auslösende Situationen, Gedanken und Gefühle identifiziert. Zusätzlich soll der Betroffene motiviert werden, sein Verhalten zu verändern. Hierzu werden Ziele festgelegt und Alltags-Strategien erarbeitet. Wichtig ist es, Fortschritte sichtbar zu machen und lobend zu erwähnen. Sind Kinder und Jugendliche betroffen, sollte auch das familiäre Umfeld in die Therapie eingebunden werden.

    Mit verschiedenen Präventionsmaßnahmen lassen sich Verhaltensabhängigkeiten auch bei vorliegenden Risikofaktoren vermeiden. Hierzu zählen die Stärkung von Hobbys, ein verbessertes Lebenskompetenz-Training, Familien-Interventionen sowie die Aufklärung für Betroffene und Familienangehörige. Beratung und Unterstützung bieten neben Fachärzten auch Suchtberatungsstellen.